Userbewertungen und Recht

Die zweite Session, die ich auf dem Barcamp Stuttgart II besuchte, wurde von Rechtsanwalt Dr. Carsten Ulbricht gehalten. Thema: Userbewertungen & Recht – Meinungsfreiheit vs. unzulässige Produktkritik.

Hier meine Mitschrift zu diesem Vortrag, der mir sehr gefallen hat. Er war auch sehr gut besucht (wie eigentlich immer bei Rechtsthemen auf Barcamps).

Anlass für Carsten den Vortrag vorzuschlagen war das BGH-Urteil zum Fall spickmich.de, einer Lehrer-Bewertungsplattform. Im konkreten Fall wurde die Kritik an einer Lehrerin auf der Plattform für zulässig erklärt. Doch das ist nicht unbedingt das letzte Wort und keinesfalls kann es verallgemeinert werden. In Frankreich ist außerdem ein fast identischer Fall und für unzulässig erklärt worden.

Die Problemfelder sind: Was wird bewertet? Wie? Und wer?

Grundsätze:

  • Bei einer Tatsachenbehauptung kann man beweisen ob es stimmt (z.B. „es ist 23 Grad im Raum“). Bei einer Meinungsäußerung kann ich das nicht (z.B. „es ist zu warm“). Tatsachenbehauptungen sollten wahr sein, Meinungsäußerungen sollten vertretbar sein.
  • Man kann unterscheiden zwischen dem Schutz des Äußernden und dem der Plattform.
  • Der Schutz wird betrachtet unabhängig von Qualität oder auch Anonymität der Äußerung.
  • Andererseits gibt es einen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Und es gibt das Recht sich gegen herabsetzende, verfälschende, entstellende öff. zu wehren.

Man muss also die Interessen abwägen zwischen Meinungsfreiheit vs. allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Beispiele:

  • Produktbewertung grundsätzlich zulässig (Stiftung Warentest)
  • Bewertung ist unzulässig bei Eingriffen in Privat- oder Intimsphäre (z.B. nur Kriterien was Lehrer beruflich machen dürfen bewertet werden)
  • Bewertung ist grundsätzlich zulässig, wenn Sozialsphäre betroffen ist (berufliches Umfeld)

Aber es hängt auch von der Einschätzung der Richter ab. So gibt es extrem unterschiedliche Beispiele was eine Beleidigung ist. Einmal ist „A…loch“ keine Beleidigung, sondern eine ‚pointierte Äußerung‘ des Mißfallens. Ein anderes Gericht sieht in einem anderen Fall schon die Du-Form als eine ‚Handlung mit innewohnendem beleidigenden Charakter‘.

Deswegen der Rat:
Die „Mutti-Regel“ ist gute Richtlinie! 🙂 „Wenn Deine Mutti sagen würde, das ist eine Beleidigung, dann ist es vermutlich eine.“

Im aktuellen spickmich-Urteil wurde folgendes als zulässig gesehen:

  • anonyme Bewertung
  • Bewertung ohne Anmeldung
  • Sternchen- und Schulnoten-Bewertungen
  • Freitexte sind auch grundsätzlich zulässig (enthalten aber ein größeres Risiko)

(Verdeckte) Konkurrentenbewertung ist ein Sonderfall, denn hier ist auch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) zu beachten. Ein Eintrag grundsätzlich zulässig aber unlauter wenn geschäftsschädigend und nicht erweislich wahr ( § 4 Nr.8 UWG). Auch muss man die Regelung über vergleichende Werbung beachten (und das ist schwierig!). Auf keinen Fall darf man den Werbecharakter der Bewertung verschleiern.

Wie man mit den Riskiken umgehen sollte:

  • Klare und transparente Nutzungsbedingungen (mit Netiquette) schaffen
  • Kontrollmechanismen einbauen
  • Keine sensiblen personenbezogenen Daten auf der Website veröffentlichen
  • nutzergenerierte Inhalte als solche kennzeichnen (z.B. „von Nutzername“)
  • keine redaktionelle Auswahl treffen (und Vorauswahl darf auch nicht in den AGB stehen, weil man sonst ggf. darauf festgenagelt wird!)
  • abuse button: Es einfach machen Probleme zu melden und einen Prozess dafür haben
  • „notice and takedown“: Sobald man davon erfährt sollte man die fragwürdige Bewertung vom Netz nehmen

Ausblick

  • Es wird weitere Bewertungsplattformen geben (offenbar arbeitet z.B. die AOK an einer Arztbewertungsplattform)
  • Die Plattformen werden sich professionalisieren
  • Einbindung in andere Prozesse(?)
  • Mehr Rechtsprechung zum Thema Bewertungen ist zu erwarten

Zwischenfragen:

  • Was ist wenn mein Serverstandort im Ausland ist?
    Antwort: Das ist egal, es kommt auf die Marktausrichtung des Angebots an. Wenn der deutsche Markt angepeilt wird, dann gelten auch deutsche Gesetze. Aber es gibt ein Problem der Durchsetzungsfähigkeit des Rechts.
  • Wie vermeidet man, dass die Plattform haftet?
    Bei Kenntnis einer Verletzung die fragwürdige Bewertung runter nehmen und künftig Sorge tragen, dass es nicht mehr vorkommen kann.

Danke an Carsten für den tollen Vortrag! Falls ich etwas falsch verstanden habe korrigiert mich bitte.

Carsten hat über dieses Thema auch selbst gebloggt: Rechtliche Vorgaben für Bewertungsportale konkretisiert.