Hausarbeit: Alternate Reality Games als Marketinginstrument

Conspiracy
Verschwörung spielen. (Foto von Vardhana, CC by-nc-nd)

Im Wintersemester 2006/07 habe ich die Vorlesung Markenstrategien im Internet bei Professor Mack besucht (Studiengang: Electronic Business an der Universität der Künste Berlin).

Für diese Vorlesung habe ich eine Hausarbeit geschrieben über ARGs und wie man sie im Marketing nutzen könnte. Diese Arbeit ist inzwischen korrigiert und daher stelle ich sie nun im Volltext ins Internet.

Ich finde Alternate Reality Games noch immer ein sehr spannendes Thema und freue mich über eure Kommentare!

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Alternate Reality Games als Marketing-Instrument Hausarbeit (PDF)

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
2. Was sind Alternate Reality Games?
3. Vorläufer
4. Klassifikation in Sub-Genres mit Beispielen
4.1. Werblich
4.2. Unabhängig
4.3. Kommerziell
4.4. Sonderformen
5. Alternate Reality Games im Vergleich
5.1. Andere Kunst- und Spielformen
Flashmobs
Pervasive Games
Online-Rollenspiele
5.2. Verwandte Werbeformen
Virales und experimentelles Marketing
In-Game Advertising
6. Alternate Reality Games im Marketing
6.1. Platzierung der Marken innerhalb des Spiels
6.2. Fallbeispiel Audi: The Art of the H3ist
6.3. Deutsche Spiele
Rettet den Fußball
Philipp Retingshof
7. Erfolgskriterien im Marketingkontext
7.1. Elemente eines erfolgreichen Alternate Reality Games
Kollektive Wahrnehmung
Koordination
7.2. Chancen und Risiken
8. Fazit
9. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Im August 2006 fand ich eine geheimnisvolle Traueranzeige in meinem Briefkasten. Helena Stavros war gestorben. Der Brief war handschriftlich an mich adressiert, doch eine Person mit diesem Namen kannte ich nicht. Also gab ich den Namen bei der Suchmaschine Google ein und startete auf diese Weise, ohne es zu wissen, ein Alternate Reality Game. Denn offenbar hatten auch andere Menschen merkwürdige Briefe erhalten und eine mysteriöse Geschichte begann. Erst nach mehreren Wochen konnten alle Rätsel gelöst werden. Bei einer abschließenden Live-Veranstaltung gab sich auch der Absender zu erkennen. Die ganze Geschichte stellte sich als Werbeaktion für eine neue Musik-CD heraus.

In der vorliegenden Hausarbeit soll dieses neue Phänomen beschrieben werden. Nach einer Beleuchtung der Hintergründe und Herkunft dieser neuen Spielform werde ich näher auf einzelne Sub-Genres eingehen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf werblichen Spielen, die bereits weltweit im Marketing eingesetzt wurden. Da Alternate Reality Games in Deutschland erst 2006 aufgetreten sind, werde ich auch die beiden deutschsprachigen Spiele ausführlicher beschreiben. Was sind Erfolgskriterien für Alternate Reality Games im Marketing? Und ist der Einsatz überhaupt zu empfehlen? Diesen Fragen werde ich im letzten Teil nachgehen und mit einem Fazit abschließen.

2. Was sind Alternate Reality Games?

Alternate Reality Games sind interaktive Erzählungen, bei denen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität stark verwischen (INTERNATIONAL GAME DEVELOPERS ASSOCIATION 2006). Meistens forschen die Spieler nach Ursachen von mysteriösen Ereignissen und lösen dafür Rätsel und andere Aufgaben. Das Motto lautet dabei stets „this is not a game“ (engl. „dies ist kein Spiel“), denn einen definierten Rahmen, in dem die Spielhandlungen stattfinden, gibt es nicht. Als Transporteure für die Geschichte sollen vielmehr möglichst viele Medien eingesetzt werden: Post, E-Mail, gefälschte Firmen-Websites und Blogs, nächtliche Anrufe, gefundene Gegenstände und sogar Ereignisse im öffentlichen Raum. Je außergewöhnlicher Medium und Fundort sind, desto besser für das Spiel. Die Autoren eines Spiels bleiben anonym und nirgends gibt es einen Hinweis darauf, dass die Geschichte erfunden ist (IGDA 2006).

Der Spieler hat längst gelernt, in virtuellen Welten zu leben (KROEBER-RIEL 2003). Die Trennung zwischen dieser Welt und dem Medium Computer löst sich beim Alternate Reality Game jedoch auf. Verbindendes Element ist die Geschichte und die anderen Spieler, die sich im Internet darüber austauschen. Durch Alternate Reality Games entsteht so sogar eine neue Körperlichkeit als Gegensatz zur zelebrierten Virtualität in anderen Computerspielen (BLEICHER 2001).

Sean Steward wurde 2001 von Microsoft beauftragt, ein solches Spiel zu entwickeln (STEWARD 2007). Damit sollte der neue Film „A.I.“ von Steven Spielberg beworben werden. Auf über 1000 Internetseiten entstand so die mysteriöse Geschichte um einen Mord im 22. Jahrhundert (KOMBLUM 2001). Vor allem in der Mailingliste „Cloudmakers“ arbeiteten über 6000 Mitglieder an der Lösung der Rätsel. Dort schrieb Eric Ng in einem Beitrag: „[…] what [the game] does do is provide an alternate reality of sorts for us to escape in“ (NG 2001). So wurde der Begriff „Alternate Reality Game“ erstmals verwendet.

Andere Bezeichnungen sind für dieses spezielle Genre „beasting“ (und bezieht sich damit auf den Titel des ersten großen Spiels), „unfiction“ („Un-Fiktion“), oder „immersive fiction“ (engl. „eindringende Prosa“) (UNFICTION 2007).

3. Vorläufer von Alternate Reality Games

Das Spiel mit Fiktion und Wirklichkeit existiert schon lange in der Literatur. Edgar Allan Poe verfasste beispielsweise den fiktionalen Zeugenbericht „The Narrative of Arthur Gordon Pym“ (POE 1838). Schon das Vorwort ist angeblich von Pym verfasst. Er schreibt darin, wie er Poes Rat gefolgt sei, seine Abenteuer niederzuschreiben und sie zu veröffentlichen.

H.P. Lovecraft berichtet in seinen Werken immer wieder von einem magischen Buch namens Necronomicon von Abdul Alhazred. Erstmals wird es 1924 in der Kurzgeschichte „The Hound“ erwähnt (LOVECRAFT 1924). Obwohl klar ist, dass es sich bei diesem Buch um eine literarische Erfindung handelt, entstand ein regelrechter Kult darum. Inzwischen wurden tatsächlich mehrere Bücher namens Necronomicon veröffentlicht, eines sogar unter dem Pseudonym Abdul Alhazred. Es ist in jeder Buchhandlung bestellbar.

Auch Gerüchte und urbane Legenden sind Vorläufer der Alternate Reality Games. So verbreitete sich beispielsweise in den 60er Jahren die Verschwörungstheorie, Paul McCartney von den Beatles sei bei einem Autounfall gestorben und heimlich durch einen Doppelgänger ersetzt worden. Diese unwahre Geschichte verbreitete sich so stark, dass McCartney selbst beteuern musste, er sei noch am Leben (LIFE 1969).

Der Film „The Game“ von David Fincher (FINCHER 1997) erzählt schon fast die Geschichte eines Alternate Reality Games: Der Banker Nicholas Van Orton bekommt zu seinem Geburtstag ein merkwürdiges Geschenk, das ihn in eine Reihe mysteriöser Ereignisse und Rätsel verwickelt. Erst am Ende des Films erfahren er und die Zuschauer, dass alles vorausgeplant und gespielt war – und genau das war das Geburtstagsgeschenk gewesen.

Ein Dokumentarfilm, der von einer Gruppe Studenten stammen sollte, sorgte 1999 für viel Aufmerksamkeit. Die Studenten waren der Geschichte nach verschollen und offenbar Opfer einer Hexe geworden. Das Filmmaterial wurde später gefunden und unter dem Namen „Blair Witch Project“ veröffentlicht. Zum Film gab es auch eine Website mit Einzelheiten und Video-Ausschnitten über den Fall. Ganz im Stile der Alternate Reality Games wurde möglichst der Anschein von Authentizität geweckt. In Wirklichkeit war aber alles nur erfunden (HAXAN 2005).

Zu den Vorläufern des neuen Spielgenres können auch Rollenspiele gezählt werden (IDGA 2006). Mehrere Teilnehmer folgen dabei einer interaktiven Erzählung. Ihre Spielcharaktere haben Eigenschaften wie z.B. Kampfstärke, die es gegen Bösewichte auszuwürfeln gilt. Auch strategische Entscheidungen müssen die Spieler treffen und beeinflussen dadurch die Handlung. Ein „Spielmeister“ agiert dabei als Vermittler zwischen den Spielern und der Phantasiewelt. Er erzählt die Geschichte und schlüpft in die Rollen aller übrigen Charaktere. In Deutschland sehr erfolgreich ist z.B. das Fantasy-Rollenspiel „das schwarze Auge“ (FANPRO). Von der Fantasiewelt Aventurien, in der das Spiel stattfindet, existieren sogar Landkarten.

4. Klassifikation in Sub-Genres mit Beispielen

Die folgende Klassifikation orientiert sich an der Einstufung der International Game Developers Association (IGDA 2006).

4.1. Werblich

Schon das erste Alternate Reality Game, „The Beast“, wurde im Auftrag eines Unternehmens entwickelt. Es war dabei eher ein Experiment, als ein Teil des Marketingplans (KOMBLUM 2001).

Die Spielhandlung ist dabei mehr oder weniger lose mit dem Produkt verbunden. Besonders zu Beginn eines Spiels ist die Verbindung zum Produkt unklar. Zu Beginn des Spiels „I love bees“ von 2004 (42ENTERTAINMENT) bittet eine Frau um Hilfe bei ihrer Website zum Thema Bienen. Bei dem letztlich beworbenen Produkt handelte es sich jedoch um das Science Fiction-Computerspiel Halo 2 für Microsoft’s XBox-Konsole.

Diese gesponserte Spielvariante ist bei großen Produktionen häufig. Neben Microsoft haben auch Audi und General Motors auf diese Weise geworben (IDGA 2006) Die TV-Serie LOST, ohnehin schon für mysteriöse Geschichten bekannt, startete am Ende der 2. Saison ebenfalls ein Alternate Reality Game. Es war zwar in die Welt der Serie eingebettet, ansonsten aber unabhängig von den einzelnen Folgen der TV-Serie. Das Spiel lief von Mai bis September 2006.

4.2. Unabhängig

Als zweite Gruppe kann man die Alternate Reality Games zusammenfassen, die keinen kommerziellen Hintergrund haben. Sie werden von einer oder mehreren Privatpersonen geschrieben und durchgeführt. Das Budget ist dabei sehr gering. So kostete das Spiel „Exocog“ nur 150 US-Dollar, brachte es aber auf 150.000 Besuche auf den dazugehörigen Websites (MILLER 2004). Normalerweise ist die Resonanz auf ein einzelnes Spiel aber geringer.

Die nichtkommerziellen Spiele („Grassroots“) bilden laut IDGA das größte Subgenre. Da die einzelnen Spiele nur ein kleines verschworenes Publikum erreichen, sind sie allerdings nicht leicht zu finden.

Auch gibt es Überschneidungen mit kommerziellen Spielen. „Exocog“ basiert auf der Welt des Films „Minority Report“, ist aber nicht von der Filmproduktionsfirma beauftragt worden. Man nennt es daher auch ein „Fan Game“. „Chasing the Wish“ ist ein weiteres nichtkommerzielles Alternate Reality Game. Der Autor Dave Szulborski ist gleichzeitig der Autor des werblichen Spiels „The Art of the H3ist“ für Audi (NEWSBLAZE 2006).

4.3. Kommerziell

Es gibt wenige Beispiele für Alternate Reality Games, die direkt von den Spielern bezahlt werden. Problematisch ist dabei vor allem, dass damit das Prinzip von „this is not a game“ aufgehoben wird. Denn der Spieler wird ja wissen wollen, wofür er sein Geld ausgibt.

Als Paradebeispiel für eine erfolgreiche Monetarisierung dient „Perplex City“. Das Spiel ist inhaltlich gekoppelt an Sammelkarten, die in England und den USA im Laden gekauft werden können. Die Rätsel darauf sind unterschiedlich schwer und oft nur mit Hilfe anderer Spieler zu lösen (IDGA 2006). Ziel des Spiels ist es, ein spirituelles Artefakt zu finden und dafür eine sechsstellige Belohnung zu erhalten. Der Schatz wurde am 2. Februar 2007 gefunden und damit endete das Spiel vorerst. 900.000 Rätselkarten wurden bis dahin gelöst, das entspricht 99 Prozent aller verkauften Karten (MIND CANDY 2007). Die zweite Saison mit neuen Karten ist für April 2007 angekündigt.

Ein Misserfolg allerdings war im Jahr 2001 das Spiel Majestic des Spieleproduzenten Electronic Arts. Obwohl das Unternehmen fünf bis sieben Million US-Dollar investierte, erreichte das Spiel nur 10.000 bis 15.000 Abonnenten (MORRIS 2001). Geplant war das zehnfache an Teilnehmern. Ein Unternehmenssprecher vermutet, dass die Verbraucher das Spiel einfach nicht verstanden haben. Allerdings können auch die monatlichen Kosten von 9,95 US-Dollar und ein schlechtes Spiel-Design Gründe gewesen sein (GIBSON 2001). Darüber hinaus wurde das Spiel zu einem ungünstigen Zeitpunkt gestartet: Nach den Angriffen auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 wurde Majestic vorübergehend unterbrochen. Die Handlung hatte immerhin eine Verschwörungstheorie um die US-Regierung zum Thema (HEY 2002). Im Frühjar 2002 wurde Majestic dann schließlich ganz eingestellt.

4.4. Sonderformen

In den meisten Alternate Reality Games lässt sich das Spielziel nur gemeinsam erreichen. So entstehen sehr schnell Diskussionsforen um ein Spiel, in denen jedes Detail ausführlich analysiert und dokumentiert wird. Die Rätsel sind meist so unterschiedlich, dass eine Person alleine sie gar nicht lösen kann. Das Übersetzen aus exotischen Sprachen gehört beispielsweise noch zu den leichteren Aufgaben. Eine Sonderform bilden deswegen Alternate Reality Games, die für Einzelspieler ausgerichtet sind.

Das bekannteste Beispiel dafür ist Jamie Kane (BBC [1]). Es wurde von Cross-Media Entertainment im Auftrag des britischen Fernsehsenders BBC gestaltet. Es wird alleine gespielt und kann jederzeit begonnen werden. Trotzdem enthält es Crossmediale Elemente wie z.B. Online-Chats und Anrufe. Die Handlung des Spiels dreht sich um den Tod des (fiktionalen) Sängers einer Boy-Band und will damit vor allem 14- bis 18-jährige Mädchen ansprechen. Jamie Kane hat erstaunlicherweise keine Verbindung zu einer Sendung der BBC. Allerdings werden unter anderem die Sender der BBC als Medium für die Rätsel eingesetzt (BBC [2]).

Eine qualitative Studie kommt zu dem Schluss, dass Alternate Reality Games durchaus auch für Schulungen eingesetzt werden könnten (SEBASTIAN & KINZIE 2006). Dafür wurde das Spiel The Beast genauer untersucht. Im Portfolio der Spiele-Autorin Brooke Thompson findet sich sogar bereits ein Spiel, das speziell für ein Unternehmen entwickelt wurde. Es nutzte vor allem das Firmen-Intranet als Medium und sollte verteilte Teams darin schulen, wie die interne Kommunikation verbessert werden kann (THOMPSON 2004).

5. Alternate Reality Games im Vergleich

Um Alternate Reality Games besser abzugrenzen, wird das Genre im Folgenden anderen Spiel-, Kunst- und Werbeformen gegenübergestellt. Dabei wird deutlich, dass die genauen Grenzen oft nur schwer festzulegen sind.

5.1. Andere Kunst- und Spielformen

Flashmobs

Durch elektronische Medien wie E-Mail und SMS informiert, bildet sich eine anonyme, konspirative Gruppe, die für eine sehr kurze Dauer etwas Ungewöhnliches im öffentlichen Raum unternimmt – so kann man zusammenfassen, was ein Flashmob ist (GOLDSTEIN 2003). Ein Beispiel: Im Februar 2007 fand eine öffentliche Kissenschlacht mitten in New York City (ROCKETBOOM 2007) statt. Da solche Aktionen auf Freiwilligkeit beruhen und vor allem Spaß machen sollen, sind Flashmobs fast nur unkommerziell.
Sie sind aber nicht wie Alternate Reality Games in einen größeren Handlungskontext eingebunden, sondern lösen sich nach wenigen Minuten wieder auf. Außerhalb dieser Zeit haben die Teilnehmer nichts miteinander zu tun.

Pervasive Games

Pervasive Games (engl. „allgegenwärtige Spiele“) sind ähnlich wie Alternate Reality Games in die echte Welt eingebettet. Der Fokus liegt dabei auf technischen Geräten, die das Spielerlebnis jenseits des Computerbildschirms vermitteln. Human Pacman ist ein Pacman-Klon, in dem die Spieler echte Straßen entlang laufen und dort Punkte sammeln (KNIGHT 2004). Durch spezielle Displays und Ortungsgeräte sehen sie die Spielpunkte als Bälle auf der Straße vor sich liegen, sofern der Spieler zum ersten Mal an diesem Ort ist. Gejagt wird Pacman von anderen Spielern die in die Rolle der Geister schlüpfen. Die Regeln des Spiels bleiben, wie im Original-Pacman, klar definiert. Anders als in Alternate Reality Games gibt es bei Pervasive Games ein abgegrenztes Spielfeld. Die Grenze zwischen Realität und Fiktion ist jederzeit erkennbar. Bei „Rettet den Fußball“, dem ersten deutschen Alternate Reality Game, war eines der Rätsel allerdings gleichzeitig ein Pervasive Game: Per GPS sollte ein versteckter Gegenstand gefunden werden (TELEKOM 2006).
Online-Rollenspiele
Etwa 13 Millionen Menschen spielen Online-Rollenspiele, die im Englischen auch „Massive Multiplayer Online Role Playing Games“ (MMORPG) heißen. „World of Warcraft“ ist das populärste Spiel unter ihnen und hat einen Marktanteil von über 50 Prozent (WOODCOCK 2006). Die Schnittstelle ist dabei ein Computerspiel auf dem eigenen PC mit Internetverbindung. Der Spieler bewegt seinen Charakter in dreidimensionalen Fantasiewelten und besteht Abenteuer und Kämpfe. Das Medium Computer ist für das Spiel also festgelegt. Auch der Stil der Interaktion durch Steuerung der Figur und Chats sind vom Programm vorgegeben. Alles in Allem ist die Trennung zwischen Azeroth und Outland (den Welten innerhalb des Spiels) einerseits und der realen Welt andererseits aber zu jeder Zeit gegeben.

5.2. Verwandte Werbeformen

Virales und experimentelles Marketing

Wenn werbliche Inhalte ansteckend wirken, spricht man vom Viral Marketing. Als erstes Beispiel wird dabei oft der E-Mail Anbieter Hotmail genannt. 1997 bot dieser Dienst als einer der ersten kostenlose E-Mail Adressen für jedermann an. Am Ende jeder geschriebenen E-Mail wurde allerdings eine Werbezeile eingebunden, die genau auf diesen Service hinwies. So verbreitete sich die Botschaft mehr, je mehr Nachrichten die Benutzer verschickten. Es kam zu einem Schneeball-Effekt (BRYCE 2005).

Alternate Reality Games erfordern eine hohe Motivation und großes Interesse der Spieler und sind daher nicht ohne weiteres geeignet, um sich schnell und einfach zu verbreiten. In der Terminologie der Werbepsychologie kann man in diesem Zusammenhang von „high involvement“ sprechen (MAYER 2000), denn der Konsument setzt sich intensiv mit der Thematik auseinander (zumindest mit der des Spiels).
Die Einstiegspunkte zu einem Spiel, die so genannte „rabbit holes“, sind aber oftmals geeignet, sich viral zu verbreiten. Die Geschichten beginnen meistens mit etwas negativem, schadhaften, wie z.B. einem Autodiebstahl (siehe The Art of the H3ist). Angst und Ungewissheit sind Faktoren, die eine Botschaft viral werden lassen, denn Menschen setzen sich eher damit auseinander (BRYCE 2005). Spiele werden auch direkt im viralen Marketing eingesetzt, wie z.B. „Moorhuhnjagd“ des Whiskey-Herstellers Johnny Walker. Der Mittagspausenspaß im Büro dauert allerdings nur eine Minute, während Alternate Reality Games oft mehrere Monate laufen. Die viralen Möglichkeiten des eigentlichen Spiels sind also begrenzt.

Die Konsumentengruppen zersplittern sich zusehends, heute wird der Konsument als multioptional, wenn nicht sogar als paradox betrachtet (HORX 2001). Daher sollte auch der Kontext des Produktkonsums betrachtet werden – und zwar mit allen Sinnen. Ziel ist es, eine „unverwechselbare Erfahrung für den Konsumenten zu schaffen“. Dieser Forderung werden Alternate Reality Games sicher gerecht. Ob damit allerdings verschiedene Konsumentengruppen angesprochen werden können, ist fraglich.

In-Game Advertising

Mit ihrem Erfolg besonders seit den 90er Jahren, wurden Computerspiele immer interessanter als Werbemedium. Im Kontext des Spiels tauchen Markenlogos und andere Werbebotschaften aus, für die sich die Spieleindustrie bezahlen lässt. So wurden in Sport- und Autorennspielen, wo Bandenwerbung zum Realismus des Spiels gehörte, die Phantasie-Logos inzwischen durch echte Marken ersetzt. Sonst erscheinen Marken im Computerspiel häufig als Product Placement. Man kann beispielsweise in der Simulation „The Sims“ zu McDonald’s gehen. In dem neueren Spiel „The Sims 2 Open for Business“ wählten die Spielgestalter allerdings wieder Phantasiemarken, um das Spielerlebnis nicht zu gefährden (JANA 2006).

Die Werbeform verbindet zwar Spiele mit Werbung, wird aber meist nicht auf Alternate Reality Games übertragen. Vielmehr soll die gesamte Handlung dem Marketingziel dienlich sein. Denn jede Markenplatzierung, die weder mit der Handlung noch mit Rätseln verknüpft ist, kann in einem solchen Spiel nicht vom Rezipienten wahrgenommen werden.

6. Alternate Reality Games im Marketing

6.1. Platzierung der Marken innerhalb des Spiels

Folgt man dem heute verbreiteten Begriff der Markenidentität, so muss man berücksichtigen, wie ein Alternate Reality Game auf die Marke als Ganzes wirkt (MEFFERT 2002). Kann mit einer solchen Aktion das Markenbild positiv beeinflusst und Vertrauen aufgebaut werden? So rückt die eigentliche Geschichte des Spiels in den Fokus, bei der man mehrere Aspekte beachten muss.

Dazu ist als erstes die Absenderproblematik in solchen Spielen zu nennen. Die Verschleierung der Autorenschaft gehört zum Spielprinzip. Die Regisseure des Spiels haben also eine Gratwanderung zu meistern: Steht die Marke zu sehr im Vordergrund, so geht der Spielspaß verloren. Ist das Spiel zu weit entfernt von der Marke, dann werden die Spieler ihr Erlebnis nicht damit assoziieren.

Die Spielhandlung bewegt sich noch in einem weiteren Spannungsfeld: Es kommt nicht nur darauf an, inwieweit die Marke auftritt, sondern auch darauf, wie gut die Geschichte zur Markenidentität passt. Ein gutes Beispiel dafür ist „The Lost Experience“. Die beworbene TV-Serie „Lost“ ist ebenso mysteriös wie das Spiel und ein Alternate Reality Game bietet sich daher an. Auch wurden Charaktere aus der Serie direkt in das Spiel eingebaut.

Damit einher geht die Konzentration auf die relevanten Zielgruppen. Können sie mit einem Alternate Reality Game überhaupt erreicht werden? Die meist vielfältigen Kommunikationskanäle im Spiel legen nahe, dass eine junge, technik-affine Zielgruppe angesprochen wird. Microsofts Engagement scheint daher nahe liegend, denn einige Produkte des Unternehmens richten sich an genau diese Gruppe. Vanishing Point, das 87.000 registrierte Mitspieler hatte, warb z.B. für Windows Vista (MICROSOFT 2007). Ein anderes Beispiel ist das bereits vorgestellte Spiel Jamie Kane (BBC [1]), das sich an weibliche Teenager richtet.

6.2. Fallbeispiel Audi: The Art of the H3ist

Für die Markteinführung des neuen Modells A3 in den USA veranstaltete der Autohersteller Audi eines der bis heute größten Alternate Reality Games. Die Geschichte beginnt mit einem gestellten Autodiebstahl. Audi ruft dazu auf, bei der Suche nach den gestohlenen Fahrzeugen zu helfen. Es entsteht eine Jagd quer durch die USA die nicht nur durch eigene Websites, sondern auch von Audi-Unternehmenssprechern angeheizt wird. Selbst bei der International Auto Show in New York, wo das neue Modell zum ersten Mal dem amerikanischen Markt vorgestellt werden sollte, ist stattdessen nur ein großes Hinweisschild mit dem Titel „Missing“ ausgestellt. Nach drei Monaten endet die Kampagne mit einer Party, bei der die vermeintlich gestohlenen Wagen auf dramatische Weise wieder auftauchen.

Das Magazin Business Week schätzt die Kosten der Crossmedialen Kampagne auf 15 bis 20 Millionen Dollar, wovon 3 bis 4 Millionen Dollar auf das eigentliche Spiel aufgewendet worden seien (KILEY 2005). Die durchführende Agentur lobt sich selbst mit dem Ergebnis nach drei Monaten: Geschätzte 45 Millionen „PR Impressions“, 500.000 Menschen, die der Geschichte folgten und 4.000 Testfahrten (MCKINNEY-SILVER 2005). Der Medieneinsatz dafür war enorm: Zum Einsatz kommen Print-Anzeigen, Plakate, TV-Werbung, Radiospots, Websites, live Events, E-Mails, Videos, Blogs, IRC Chats, Post, Sprach-Mitschnitte, Photos und gescannte Dokumente (NEAL 2005).

6.3. Deutsche Spiele

In deutscher Sprache sind bisher erst zwei Alternate Reality Games gelaufen, beide im Jahr 2006. Sie werden im Folgenden genauer beschrieben.

Rettet den Fußball

Am 2. März 2006 gewinnt ein Studententeam der FH Würzburg-Schweinfurt den „Best Brains Award 2006″, der von der Telekom ausgelobt wurde (TELEKOM 2006). Insgesamt haben 37 Teams ihre Ideen eingereicht, der Gesamtetat liegt bei 100.000 Euro (FHWS 2006). Der Best Brains Award gehört zur Recruiting-Strategie der Telekom und soll vor allem Studenten ansprechen (TELEKOM [2] 2006).

Das Konzept „T-Quest“ des Gewinnerteams wird in den folgenden drei Monaten umgesetzt. Es wird das erste deutsche Alternate Reality Game, das laut Aufgabe ein unvergessliches Ereignis im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland schaffen soll.

Die Handlung: Ein Wissenschaftler hat am 7. Mai 2006 bei Ausgrabungen auf einer südpazifischen Insel sieben Statuen entdeckt, die magische Kräfte enthalten sollen. Sind alle Statuen beisammen, könne eine Mannschaft damit alle Fußballspiele gewinnen – das wäre das Ende dieses Sports! Kurz darauf werden sechs der Statuen gestohlen und eine Mitarbeiterin entführt. Es folgt eine, vor allem virtuelle Schnitzeljagd, die ihren Höhepunkt am 23. Juni in München hat. Mehrere Teams jagen mit Handy und GPS-Empfängern durch die Stadt auf der Suche nach der Lösung des Rätsels (PATMO 2006).

Im Team-Tagebuch berichten die Studenten davon, dass die Werbeagentur Publicis sie bei der Umsetzung unterstützt hat. Eine Filmproduktionsfirma aus Würzburg hat einen viralen Video-Clip für das Spiel produziert (MOVIEBRATZ 2006). Trotzdem betrachten sich die Macher des Spiels als relativ unabhängig: „Wir werden zwar von der Telekom unterstützt, es handelt sich aber um ein reines unkommerzielles Studentenprojekt“, steht im Impressum der zugehörigen Website (RETTETDENFUSSBALL 2006).

Wie war die Resonanz auf das Spiel? Bis zum 5. Juni, etwa einem Monat nach dem Start, hatten sich 300 Mitspieler eingetragen (DDP 2006). Ein Foto, das zu einem der Rätsel gehört, ist bis heute 228 Mal angesehen worden (FLICKR 2006). Andere Zahlen sind nicht öffentlich zugänglich. Die Spieler scheinen also eine sehr kleine Gruppe gewesen zu sein.

Philipp Retingshof

Das Alternate Reality Game um den Möbelrestaurator Philipp Retingshof ist eine Werbeaktion für ein Album der Band Enigma (LILITH 2006). Etwa 100 Blog-Autoren erhalten im August 2006 die Todesanzeige einer Helena Stavros per Post. Da der Absender unbekannt ist, schreiben sie darüber im Internet. Nach wenigen Tagen wird aufdeckt, dass die Agentur vm-people hinter der Sache steckt (BLOGBAR 2006). Damit ist bei vielen das Interesse verpufft. Das Spiel selbst endete allerdings erst am 24. September. Ein wichtiges Video, das im Spiel die Entführung eines Charakters dokumentiert, wird nur 163 Mal angesehen (YOUTUBE 2006). Allerdings berichten auch Mainstream-Medien wie Spiegel Online und Focus Online vom Spiel allgemein (RÖTTGERS 2006, LÖSER 2006).

Die Reaktionen auf dieses Alternate Reality Game sind zum Großteil sehr negativ. Die Blog-Autoren fühlen sich instrumentalisiert und wollen mit ihren Beiträgen nicht für etwas werben, das sie noch nicht kennen (BLOGBAR 2006). Auch die Tatsache, dass der Einstieg ins Spiel über eine Todesanzeige läuft, stößt auf Ablehnung. Die Verbindung zwischen einem Trauerfall und (vermuteter) Werbung sei pietätlos. Medienpartner war offenbar AOL, der eine extra Seite für den Showdown der Geschichte gestaltete (AOL 2006). Dort scheint man dem Gedanken eines Alternate Reality Games nicht sehr nahe zu stehen: Die Geschichte wurde im Bereich „Musik“ platziert, statt spielgerecht unter „Nachrichten“.

7. Erfolgskriterien im Marketingkontext

7.1. Elemente eines erfolgreichen Alternate Reality Games

Jane McGonigal, Designerin des Spiels „I love bees“, beschreibt die Spieler als kollektive Intelligenz, die sich bildet, zusammenarbeitet und intern koordiniert (MCGONIGAL 2007 [1]). Die Spielergemeinschaft durchläuft also drei Phasen. Diese gilt es aktiv zu gestalten, um ein Alternate Reality Game erfolgreich zu machen. „I love bees“ wurde als Werbemaßnahme für das Microsoft-Spiel Halo 2 entwickelt und ist ein gutes Beispiel für den Marketingeinsatz eines solchen Spiels.

Kollektive Wahrnehmung

Wenn Spieler den Einstieg in das Spiel gefunden haben, stehen am Anfang eine Menge Fragen. Die Geschichte ist ein Puzzle, Hinweise sind sowohl auf verschiedene Medien verteilt, als auch auf verschiedene Spieler (wenn z.B. nur wenige ausgewählte Spieler einen Anruf erhalten). So bildet sich zunächst eine Gemeinschaft, die die Geschichte in Foren diskutiert und an einem zentralen Ort dokumentiert (z.B. einem Wiki).

Diese Phase muss von den Spielgestaltern durch massive Verteilung von Inhalten (massively distributed content) unterstützt werden (MCGONIGAL 2007 [2]).

Kooperation

Die so entstandene Handlung wird Rätsel enthalten, die nur kollektiv gelöst werden können. Bei „I love bees“ galt es beispielsweise herauszufinden, was es mit 200 Geokoordinaten auf sich hat. McGonigal beschreibt, dass es unter den Spielern zunächst zu wilden Spekulationen kam, aus denen sich schließlich drei verschiedene Hypothesen bildeten. Die Spieler teilten sich in Gruppen auf und fanden schließlich Anhaltspunkte für die richtige Lösung: An allen Orten befanden sich Telefonzellen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt läuteten. Es galt also sicherzustellen, dass zur rechten Zeit an allen Orten ein Spieler die Telefon-Nachricht entgegen nehmen kann. Die Zusammenarbeit allein an diesem Rätsel lief über mehrere Wochen und war sehr komplex.

Die Regisseure hinter dem Spiel müssen sich für diese Phase gute Rätsel einfallen lassen, die eine aussagekräftige Mehrdeutigkeit (meaningful ambiguity) bieten.

Koordination

Im Unterschied zu klassischen Computerspielen lassen sich die Inhalte und Rätsel im Spielverlauf noch verändern. Dies mag auf den ersten Blick erforderlich sein, um den Spielern Tipps zu geben, falls sie nicht weiterkommen. Wie sich bei „I love bees“ herausstellte, war aber das Gegenteil der Fall: Die Spielergemeinschaft war viel besser organisiert und vernetzt als erwartet und so wurden einzelne Aufgaben sogar schwerer gemacht als ursprünglich geplant. Dabei kann es auch zu Spannungen zwischen den Spielern und den Organisatoren kommen (IDGA 2006). Die Administratorin des Forums unfiction meint jedoch, das sei eher selten der Fall (KERR 2006).

Um dem Bedürfnis der Spieler nach Koordination gerecht zu werden, fordert McGonigal, dass ein gutes Alternate Reality Game in Echtzeit ansprechbar ist und auf die Spieler reagiert (real-time responsiveness). So soll die Zusammenarbeit der Spieler untereinander immer weiter gefördert werden.

Die Aufgaben der Spielgestalter sind also sehr komplex. Erstens müssen sie eine packende Geschichte erzählen, die in vielen kleinen Fragmenten weit verteilt wird. Zweitens muss diese viele herausfordernde Rätsel enthalten. Und drittens sollte das Spielerlebnis durch prompte Reaktion auf das Verhalten der Spieler verdichtet werden.

7.2. Chancen und Risiken

Das Spielen von Alternate Reality Games kann eine intensive und persönliche Erfahrung darstellen. Bettet man ein solches Spiel in eine Marketing-Kampagne ein, so besteht die Chance, dass diese Erfahrung positiv mit der Marke verknüpft wird. Gute Spiele werden sogar von einem wahren Fankult begleitet.

Auch der große Neuigkeitswert spricht für diese Werbeform. Bis heute wurden erst zwei Alternate Reality Games in Deutschland durchgeführt, von denen keines von traditionellen Werbeformen begleitet wurde. Das Beispiel Audi zeigt aber, dass die Einbettung in eine Crossmediale Kampagne die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Presse wesentlich erhöhen kann. Dann wäre der Aufwand auch lohnend, selbst wenn nur relativ wenige Menschen tatsächlich mitspielen.

Der Aufwand, ein Alternate Reality Game durchzuführen, darf aber nicht unterschätzt werden. Neben der kreativen Leistung müssen auch Zeit und Kosten für die Planung und Durchführung der Events eingeplant werden. Auch während das Spiel läuft sind viele Ressourcen nötig, um auf das Verhalten der Spieler angemessen zu reagieren. Manche Elemente können nicht automatisiert bearbeitet werden da das der Geschichte schaden würde. Wenn der Zuspruch des Publikums größer ist als erwartet, skaliert ein Alternate Reality Game nicht ohne zusätzliche Kosten zu verursachen.

Ein viel diskutiertes Problem ist der Einstieg in das Spiel, an dem offenbar viele Scheitern (ARG FEST-O-CON 2007). Um dem Manifst „dies ist kein Spiel“ gerecht zu werden, muss der Beginn des Spiels gleichzeitig aufmerksamkeitsstark und rätselhaft sein. Hier brechen die meisten Besucher ab, weil sie es vermutlich nicht verstehen. Doch es besteht zumindest die Chance, dass sie durch andere Medien über den Spielverlauf (und vor allem der Marke als Absender) informiert werden.

Die Reaktionen der klassischen Medien sind schwer vorherzusehen. Der ungewöhnliche Kontext bietet auf jeden Fall Stoff für eine gute Story. Zwei Faktoren könnten aber negativ ausgelegt werden: Erstes die Verschleierung des Absenders und zweitens die Tatsache, dass es sich um Fiktion handelt, obwohl alles „echt“ aussieht. Bei dem deutschen Alternate Reality Game um Philipp Retingshof befassten sich Blogger und Online-Medien eher mit der Frage, wer denn nun dahinter steckt, als mit der Geschichte. Das beworbene Produkt tauchte in den meisten Fällen dabei gar nicht auf.

Bei Ereignissen in der Öffentlichkeit ist die Gefahr von Missverständnissen ganz offensichtlich. Wenn dort unbekannte Gegenstände auftauchen, kommt es schnell zu Bombenalarm. Auch müssen Spielgestalter darauf achten, dass sich die Spieler nicht selbst in Gefahr bringen oder in Versuchung gebracht werden, eine kriminelle Handlung zu begehen (WALSH 2007 und THOMPSON 2007).

Ein Alternate Reality Game von Schweppes führte in Boston zu einem Eklat: Auf einem Friedhof war eine wertvolle Münze versteckt, die es zu finden galt. Sobald die Behörden von der Aktion erfuhren, sperrten Sie das Gelände (SCHOETZ 2007). Eine solche Szene ist für das Markenbild nicht förderlich, denn Schweppes hatte sicher nicht vor, als Anstifter von Grabschändung dazustehen.

8. Fazit

In diesem Text wurden Alternate Reality Games und ihre Sub-Genres beschrieben und auch ihre Herkunft beleuchtet. An Fallbeispielen wurde auf die konkrete Durchführung und die Reaktionen des Publikums eingegangen. Auch Handlungsempfehlungen zur Konzeption und eine Abwägung der Chancen und Risiken für das Marketing wurden umrissen. Doch wie wichtig sind diese Spiele nun im Kontext der Werbetreibenden?

Für das Marketing sind Alternate Reality Games ein sehr neues Werkzeug. Es ist ein Spiel, das sich selbst nicht so nennt, über verschiedene Medien hinweg eine mysteriöse Geschichte verbreitet und diese von einer engagierten Online-Gemeinschaft lösen lässt. Der Aufwand dafür ist enorm und die Wirkung unklar.

Die beiden deutschsprachigen Alternate Reality Games konnten keine nennenswerte Resonanz erzielen. Im Gegenteil: Das Spiel zur Promotion einer Musik-CD wurde aus verschiedenen Gründen sogar massiv kritisiert. Die Mitspieler haben sicher trotzdem ihren Spaß gehabt, bildeten aber nur eine sehr kleine Gruppe. Es wird schwierig sein, anhand dieser Menge den finanziellen Aufwand zu rechtfertigen.

Um ein Alternate Reality Game erfolgreich zu machen, genügt es also nicht, die Empfehlungen für ein gutes Spieldesign zu beachten. Das ganze Spiel muss gleichzeitig mit einer klassischen Werbekampagne kombiniert werden, um genügend Mitspieler anzusprechen. In diesem Licht betrachtet dient das Spiel nur noch dazu, Neugier zu wecken und Andersartigkeit zu demonstrieren. Die Botschaft wird dann durch den erzeugten Werbedruck eher kommuniziert als durch das Spiel selbst.

Zumindest der Neuigkeitswert lässt sich noch nutzen, denn bis heute ist noch keine große Kampagne mit Einsatz eines Alternate Reality Games in Deutschland gelaufen. Eine Überlegung wäre es wert. Danach müssten ähnliche Kampagnen ihr Spiel sehr stark verändern, um wieder eine große Aufmerksamkeit erzielen zu können. Der medienkompetente Konsument wird sich schnell daran gewöhnen, dass hinter jeder mysteriösen Botschaft ein Alternate Reality Game stecken könnte. So wird das Genre vermutlich künftig vor allem wieder von dem kleinen Kreis der Fans gespielt werden, der sich in den letzten Jahren bereits intensiv damit beschäftigt hat.

Zusammenfassend ist die Zukunft des Alternate Reality Games im Marketing fraglich. Der finanzielle Aufwand und die geringe Resonanz sowohl bei den Spielern, als auch in den Medien, sprechen nicht dafür, dass Alternate Reality Games ein großes Potential als Marketinginstrument innehaben.

9. Quellenverzeichnis

4 Gedanken zu „Hausarbeit: Alternate Reality Games als Marketinginstrument“

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